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Massarrat: Heutige Aufgaben der Friedenspolitik nach 42 Jahren OFRI
Was hat sich in der Welt seit der Gründung der Osnabrücker Friedensinitiative (OFRI) vor 42 Jahren verändert und was folgt daraus für die Friedensbewegung heute? Zur Diskussion dieser Frage mit Mitgründer Prof. Mohssen Massarrat hatte die OFRI am 10. März in Haus der Jugend geladen.
„Die Menschheit steht vor dem Beginn einer neuen und vielleicht der gefährlichsten Phase ihrer Geschichte“, hatte es im Gründungstext der OFRI im Juni 1981 geheißen. Ein Dritter Weltkrieg sei nicht mehr ausgeschlossen. Kritisiert wurde die Abschreckungsstrategie mit „unvorstellbaren Summen“ für den Rüstungswettlauf bei gleichzeitig Hunger in der Welt sowie Vernichtung der Natur-Ressourcen. Gefordert wurden die Achtung der Unverletzlichkeit der Grenzen und Souveränität der Völker.
Massarrat drückte seine Freude aus, dass „meine alte Gruppe“ noch existiere. Mit Pastor Otto Meyer habe er im Herbst 1980 öffentlich gegen den „NATO-Doppelbeschluss“ mit der geplanten Stationierung von US-Atomsprengköpfen in Deutschland Stellung bezogen. Eine erste Zusammenkunft Anfang 1981 in einem kirchlichen Raum habe mit 40 Personen stattgefunden. Bei weiteren Treffen – dann wöchentlich - sei die Gruppe auf über 100 Personen angewachsen. Zur Friedensdemonstration im Bonner Hofgarten am 10. Oktober 1981 unter dem Motto „Gegen die atomare Bedrohung gemeinsam vorgehen“ mit 300.000 Menschen seien ein Sonderzug und mehrere Busse eingesetzt worden.
Bis heute werde die US-Hegemonie vor allem mit dem Zugriff auf die Öl-Reserven durchgesetzt, erklärte Massarrat. Dazu gehöre der völkerrechtswidrige Angriff 2003 auf den Irak, womit zur Nachahmung eingeladen worden sei. Das Ziel der Energiepolitik mit Unterordnung der Verbündeten werde heute mit der Lieferung von Fracking-Gas aus den USA an Deutschland fortgesetzt. Mit der Stabilisierung des Ölpreises um die 2 Dollar werde eine unilaterale Weltordnung im US-Interesse seit 50 Jahren gesichert, der Ausbau der Erneuerbaren Energien verhindert und damit die Klimakrise befördert.
„Heute wächst wieder die Atomkriegsgefahr“, betonte Massarrat. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion habe Putin die russische Armee auf über 6.000 atomare Sprengköpfe aufgerüstet und drohe deren Einsatz an im Zusammenhang mit der westlichen Unterstützung der Ukraine gegen den russischen Überfall. Mit dem Seidenstraßen-Projekt und dem weltweiten Aufbau ökonomischer Partnerschaften gefährde China die US-Hegemonie. Das kritikwürdige Regime im Iran lehne den US-Vorrang ebenfalls ab. Der Irak liege zerstört danieder. Auch die von den USA angeführten Angriffe auf Serbien 1999 und Afghanistan 2001 hätten zur Beeinträchtigung des Weltfriedens beigetragen.
Massarrat erinnerte an seine von der Osnabrücker Öffentlichkeit unterstützte Initiative für eine Friedens-Universität anlässlich 350 Jahre Westfälischer Friede 1998. „Als Oberbürgermeister Hans-Jürgen Fip und ich deswegen den Termin mit Bundeskanzler Schröder hatten, musste dieser plötzlich zum Gespräch mit US-Präsident Clinton und wir konnten nur mit Kanzleramtschef Steinmeier sprechen“, berichtete der jetzt in Berlin lebende Professor. Kurz danach sei das Bombardement auf Serbien erfolgt und die Idee von der gemeinsamen Sicherheit in Europa zertrümmert worden. „Heute herrscht dort immer noch Krieg“, stellte Massarrat fest.
Dass die Entspannungspolitik Willy Brandts sogar aus der eigenen Partei als Fehler eingestuft werde, kritisierte Massarrat. Die Grünen hätten ihre ursprüngliche pazifistische Position endgültig verlassen. Heute werde Sicherheit in Europa nicht mit, sondern gegen Russland gefordert. „Als Putin 2001 nach seiner Rede im Bundestag für ein gemeinsames Haus Europa im Sinne von Gorbatschow frenetischen Applaus erhielt, haben die Alarmglocken in den USA geschrillt“, so Massarrat. Bereits 2008 habe es eine gewaltige „PR-Armee“ mit Atlantik-Brücke, German-Marshall-Fund und zahlreichen Stipendien zur Einflussnahme auf die öffentliche Meinungsbildung gegeben. Auch der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages, Roth (SPD), sei in den USA aufgepäppelt worden.
Vernachlässigt werde in der Konfliktanalyse, dass NATO-Militär seit 2008 immer näher an die russische Grenze herangerückt sei. Auch die deutschen Medien würden sich zum Handlanger der USA machen, indem die Friedensinitiative Chinas gleich mit angeblichen Waffenlieferungen an Russland diskreditiert werde.
In der Aussprache fand Massarrat nicht nur Zustimmung. So wurde darauf hingewiesen, dass Putin zeitnah zu seiner Bundestagsrede Menschenrechtsverletzungen in Tschetschenien zu verantworten habe. Auch in Aleppo habe Russland Kriegsverbrechen begangen. Massarrat entgegnete, der vom nationalistisch und religiös orientierten Putin befohlene Angriff auf die Ukraine sei ohne Wenn und Aber als völkerrechtswidrig zu verurteilen. Auch von China würde es ein Riesenfehler sein, wenn ein Angriff auf Taiwan erfolgen sollte.
„Russland muss von allen Seiten klargemacht werden, dass der Krieg nicht weitergehen darf“, stellte Massarrat klar. Dazu sei Druck von außen und aus Russland erforderlich. Russland und die Ukraine müssten an den Verhandlungstisch gebracht werden. UN-mandatierte Verbände aus neutralen Staaten könnten die Einhaltung eines Waffenstillstandes überwachen. Nach einer Zeit der Beruhigung könne die Bevölkerung der strittigen Gebiete dann frei über ihre Zugehörigkeit entscheiden.
Dann bestehe auch die Chance für einen neuen Anlauf für gemeinsame Sicherheit in Europa mit Russland. Dann müsse auch die Abrüstung vor allem im nuklearen Bereich wieder aufgegriffen werden. Zur Entspannung könne auch Osnabrück mit der Partnerschaft zum russischen Twer einen Beitrag leisten. Das sieht auch die Osnabrücker Friedensinitiative für sich als Aufgabe an.