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„Sicherheit neu denken“ und Ukraine-Krieg OFRI sprach mit Staatsministerin Katja Keul
Osnabrück – Welche Rückwirkung hat der russische Angriff auf die Ukraine für nicht-militärische Strategien wie das vor allem von kirchlichen Gruppen entwickelte Konzept „Sicherheit neu denken“? Zu dieser Frage nahm die Staatsministerin im Auswärtigen Amt, Katja Keul, auf Einladung der Osnabrücker Friedensinitiative Stellung.
Die Übertragung der Verantwortung für die Herstellung und Aufrechterhaltung des Friedens in allen Ländern weltweit auf die Vereinten Nationen – das ist der Kern von „Sicherheit neu denken“. Demnach soll über einen schrittweisen Abbau der nationalen Armeen ein Gewaltmonopol bei den UN aufgebaut werden. Erreicht werden soll das bis etwa 2040.
„Das Ziel ist richtig, die Kompetenz der UN bei der Vermeidung und Lösung von Konflikten zu stärken“, erklärte Keul. Dafür biete die UN-Charta eine gute Grundlage, die Angriffskriege verbiete. Solange es allerdings keine UN-Weltpolizei gebe, sei die Existenz nationaler Streitkräfte unverzichtbar, um einem UN-Beschluss zur Durchsetzung zu verhelfen, stellte Keul fest.
Eine stärkere Zusammenarbeit in der Verteidigungspolitik auf europäischer Ebene kann nach Ansicht von Keul dazu beitragen, die Fähigkeiten der 27 Armeen zusammenzulegen und Kosten einzusparen. Allerdings dürften EU-Mittel nicht umgewidmet und zur Selbstbedienung für die Rüstungsindustrie werden.
Die Ampel-Regierung habe eine restriktive Rüstungsexportpolitik vereinbart, betonte Keul. Unter Federführung von Staatssekretär Sven Giegold sei bis zum Jahresende aus dem Wirtschaftsministerium der Eckpunkte-Entwurf für ein Kontrollgesetz zu erwarten.
Keul, die Ministerin Baerbock im Parlament und im Ausland vertritt, bezeichnete es als Erfolg, dass es trotz erheblichem Widerstand gelungen sei, nach Norwegen auch für Deutschland einen Beobachterstatus bei der Vertragsstaatenkonferenz zum Atomwaffenverbot durchzusetzen. Allerdings bleibe es vorerst bei Deutschlands atomarer Teilhabe mit der Anschaffung neuer Tornados. Eine Festschreibung des 2%-Ziels werde nicht im Grundgesetz stehen.
Die Beschaffungs- und Vergabestrukturen der Bundeswehr sollen geändert werden, versicherte Keul auf Nachfrage. „Wenn persönliche Ausstattung gekauft werden soll, können das die Kommandeure selbst entscheiden“, so die Staatsministerin. Bei bis zu 25.000 Euro Selbstbeschaffung sei das zuständige Amt erheblich entlastet.
Gemahnt aus dem Publikum wurde, der Türkei als Preis für die Zustimmung zum NATO-Beitritt von Schweden und Finnland keine weitere Verfolgung von Kurden zuzugestehen. Die Türkei habe völkerrechtswidrig den Norden Syriens besetzt und Vertreibungen vorgenommen, wofür es keinerlei Unterstützung seitens der NATO geben werde, versicherte Keul.
Außerdem kam der Hinweis aus dem Publikum, dass das völkerrechtswidrige Bombardement Serbiens 1999 aktuell die Glaubwürdigkeit des Westens beeinträchtige. Zweifel wurden geäußert, ob alle zivilen Mittel ausgenutzt worden seien, um den Angriff Russland auf die Ukraine zu vermeiden.
„Ziel ist es, die Ukraine durch die Unterstützung in die Lage zu bringen, auf Augenhöhe Verhandlungen führen zu können.“, erklärte Keul. Deutschland setze auf die Erhöhung der Zahl der bisher 141 den Krieg verurteilenden UN-Staaten, die Ermittlung der Menschenrechtsverstöße und deren Bearbeitung durch den Internationalen Gerichtshof sowie den Druck auf Russland mit Sanktionen zur Beendigung des Angriffskrieges.
„Und schon jetzt müssen wir bedenken, wie wir langfristig zu einer neuen gemeinsamen Sicherheitsarchitektur kommen“, plädierte Keul. Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Putin könne es nach diesem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg allerdings nicht geben.