Aktuelles
Wir fragen Osnabrücker Bundestagskandidaten zur Friedenpolitik
Dienstag, 31. August, 19 Uhr
Saal der Bundesstiftung Frieden, Osnabrück, Am Ledenhof 3
Unsere Fragen:
1. Atomwaffen
Vor 11 Jahren hatte der Bundestag den seinerzeitigen Außenminister Westerwelle nach New York geschickt, um den Abzug aller Atombomben aus Deutschland zu erreichen. Doch im Eifelort Büchel lagern noch immer 20 Atombomben und Deutschland will sich die atomare Teilhabe mit Tornado-Fliegern sichern. Wir wollen, dass auch Deutschland sich der UN-Initiative auf Atomwaffenverzicht anschließt.
Wir fragen Sie: Wie soll Deutschland zum Abbau der Atomwaffenarsenale beitragen?
2. Militäretat
Von Deutschland wird gefordert, den Militäretat auf 2% des Bruttoinlandsprodukts zu erhöhen. Schon jetzt hat die gegenwärtige Bundesregierung diesen Haushaltsposten deutlich anwachsen lassen und will dieses in den nächsten Jahren fortsetzen. Wir wollen die Senkung der Rüstungsausgaben und die Umwidmung der freiwerdenden Gelder zugunsten der Krisenprävention und zivilen Konfliktschlichtung.
Wir fragen Sie: Wie soll Deutschland mit der 2%-Forderung zum Wehretat umgehen?
3. Russland
Die Sanktionen gegen Russland wegen der Krim-Besetzung und der Beteiligung am Ost-Ukraine-Konflikt haben bislang die damit verbundenen Ziele nicht erreicht. Abrüstungsverträge stehen auf dem Spiel und Geheimdienstaktionen sowie Menschenrechtsverstöße auf beiden Seiten (Nawalny, Snowdon) belasten die Beziehungen. Wir wollen, dass alle Mittel des friedlichen Interessenausgleichs eingesetzt werden, um die Bedrohung durch Militär abzubauen und dessen Einsätze zu beenden.
Wir fragen Sie: Wie soll Deutschland seine Außenpolitik gegenüber Russland gestalten?
Und hier die bisherigen Antworten:
Matthias Middelberg (CDU)
Mir persönlich fehlt leider die Zeit auf die einzelnen Fragen angemessen schriftlich einzugehen.
Sie können aber gern Ihre Wahlprüfsteine an die Bundespartei senden. In diesem Jahr haben sich CDU und CSU gemeinsam mit anderen Parteien darauf verständigt, im Bundestagswahlkampf 2021 ein geändertes Verfahren zur Beantwortung von Wahlprüfsteinen zu nutzen. Fragesteller können bis zu acht Fragen über ein Eingabeformular auf der Internetseite www.regierungsprogramm.de/wps einreichen. Sie erhalten sodann eine abgestimmte gemeinsame Antwort von CDU und CSU.
Manuel Gava (SPD)
Frage 1: Wie soll Deutschland zum Abbau der Atomwaffenarsenale beitragen?
Grundsätzlich bin ich dafür, dass sich Deutschland dem Atomwaffenverzicht anschließt. Allerdings bringt ein Alleingang der Bundesrepublik aus meiner Sicht nicht viel, daher muss das Thema in der NATO und Europäischen Union noch stärker auf die Tagesordnung gebracht werden. Eine deutschen Sonderweg ohne unsere Bündnispartner halte ich daher für wenig sinnvoll.
Deutschland muss im Rahmen diplomatischer und militärischer Gespräche das Thema des Atomwaffenverzichts immer wieder auf die Tagesordnung bringen. Allerdings möchte ich nicht verhehlen, dass wir weltweit einige Atomwaffenländer haben, die einen solchen Weg sicherlich nicht mitgehen werden. Daher kann ich die Argumentation der Abschreckung teilweise nachvollziehen.
Frage 2: Wie soll Deutschland mit der 2%-Forderung zum Wehretat umgehen?
Die Fixierung auf die 2% Regelung des BIP ist nicht sinnvoll. Ich setze mich für eine einsatzstarke und gut ausgerüstete Bundeswehr ein, die vereinbarte Aufgaben innerhalb der NATO vollumfänglich erfüllen kann und ihre Soldatinnen und Soldaten in Einsätzen bestmöglich schützen kann. Hierbei braucht es eine ehrliche und genaue Analyse, welche Summen dafür notwendig sind. Daher bin ich nicht zwangsläufig für eine Erhöhung, sofern diese innerhalb der vereinbarten Aufgaben nicht notwendig sind.
Frage 3: Wie soll Deutschland seine Außenpolitik gegenüber Russland gestalten?
Auch ich möchte den Dialog zu Russland aufrecht erhalten halten und wieder stärken. Gerade die vielfältigen Beziehungen zu Organisationen sind wichtig, um das deutsch-russische Verhältnis zu verbessern. Ich wünsche mir hier einen verstärkten Austausch von Studierenden, Auszubildenden und Schülern.
Eine komplette Abschaffung der Sanktionen kann ich allerdings nicht befürworten. Wir haben es mit einer höchst aggressiven russischen Regierung zu tun, die völkerrechtswidrig andere Staatsteile annektiert, einen syrischen Mörder und Diktatoren unterstützt und homosexuelle und andersdenkende Menschen regelmäßig zusammenschlagen lässt.
Der Gesprächsfaden darf trotzdem nicht abreisen, Handel muss möglich sein, der Austausch der zivilen Bevölkerung muss verstärkt werden und demokratische Kräfte in Russland unterstützt werden.
Nemir Ali (FDP)
Frage 1: Wie soll Deutschland zum Abbau der Atomwaffenarsenale beitragen?
Im Atomwaffensperrvertrag hat sich die überwiegende Anzahl der Staaten bereits verpflichtet, perspektivisch eine atomwaffenfreie Welt zu schaffen. Deutschland kann hierzu einen Beitrag leisten, indem wir auf internationaler Ebene für neue Abrüstungsinitiativen werben. Hierbei muss neben Frankreich, dem Vereinigten Königreich, Russland und den Vereinigten Staaten, auch die Volkrepublik China (VRC) mitberücksichtigt werden. Ohne die Einbeziehung der VRC haben neue Abrüstungsbestrebungen wenig Aussicht auf Erfolg. Gleichzeitig erlaubt die gegenwärtige weltpolitische Lage auch keine einseitige Abrüstung, was auch für die in Deutschland stationierten amerikanischen Atomwaffen gilt. Solange Staaten wie Russland oder die VRC ihre aggressive und expansionistische Außenpolitik fortsetzen, bleiben Atomwaffen ein zentrales Element einer effektiven Verteidigungspolitik. Ein Abzug der amerikanischen Atomwaffen aus Deutschland würde im Gegenteil in osteuropäischen Staaten, allen voran Polen, eine Debatte über die Stationierung amerikanischer Atomwaffen auslösen. Dies gilt umso mehr als Russland erst kürzlich Atomwaffen im Oblast Kaliningrad und damit unweit der polnischen Grenze stationiert hat.
Frage 2: Wie soll Deutschland mit der 2%-Forderung zum Wehretat umgehen?
Die Bundesrepublik Deutschland hat Jahrzehnte als östliche Grenze der NATO vom Schutz und der Solidarität der anderen NATO-Staaten profitiert. Nun ist Deutschland wiedervereinigt und von Freunden umzingelt. Aber unsere Freunde und Partner in Europa sind es nicht. Russland verfolgt unter Wladimir Putin eine offen revisionistische Außenpolitik, wie die Annexion der Krim und der Krieg in der Ostukraine zeigen. Gerade Polen und die baltischen Staaten fühlen sich von dieser Politik zurecht bedroht. Deshalb hat die NATO auf ihrem Gipfel-Treffen in Wales zahlreiche Maßnahmen beschlossen, um die Sicherheit unserer Partner in Osteuropa zu garantieren. Dazu gehört auch, dass Deutschland einen angemessenen Beitrag leistet. Dabei geht es nicht um Aufrüstung, sondern nach dem gegenwärtigen Stand der Bundeswehr um die Wiederherstellung der Einsatzfähigkeit.
Frage 3: Wie soll Deutschland seine Außenpolitik gegenüber Russland gestalten?
Die gegenwärtige russische Außenpolitik ist ein Bedrohung für den Frieden in Europa. Die Sanktionen gegen Russland wegen der Annexion der Krim und dem Krieg in der Ostukraine haben Wirkung gezeigt, da sie Russland von weiterer militärischer Expansion abgebracht haben. Daraus folgt, dass die Sanktionen auch verschärft werden müssen, sollte Russland erneut eskalieren. Gleichzeitig können die Sanktionen schrittweise abgebaut werden, wenn Russland zur Entspannung beiträgt. Ein Ende der Sanktionen setzt aber den vollständigen Abzug der russischen Truppen aus allen besetzen Gebieten voraus.
Die aktuelle Konfrontation darf aber nicht dazu führen, dass der Dialog zur russischen Zivilgesellschaft abbricht. Europa und Deutschland müssen gerade diejenigen Russinnen und Russen unterstützen, die sich für Freiheit und Demokratie und eine friedliche Partnerschaft mit Europa einsetzen. Denn trotz aller Repression ist es Wladimir Putin bisher nicht gelungen den Widerstand in der russischen Gesellschaft zu brechen. Wir müssen Menschenrechtsverletzungen – wie den versuchten Giftmord an Alexey Nawalny – daher klar verurteilen und die verantwortlichen Personen – wie im Fall Nawalny – sanktionieren. Menschenrechte sind keine innenpolitische Angelegenheit, sondern ihre Achtung ist die Verpflichtung jedes Staates. Dieses Bekenntnis findet sich bereits im Grundgesetz, dass die „Menschenrechte als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt“ (Artikel 1 Abs. 2 GG) anerkennt.
Heidi Reichinnek (Linke)
Frage 1: Wie soll Deutschland zum Abbau der Atomwaffenarsenale beitragen?
Zur Vision einer Welt ohne Massenvernichtungswaffen gehört auch konsequente Abrüstung im eigenen Land. Die LINKE lehnt eine weitere Beteiligung der Bundesrepublik an der US-geführten ‚nuklearen Teilhabe‘ ab und fordert den Abzug aller Atomwaffen vom Territorium der Bundesrepublik. Die Bundeswehr darf keine Trägerflugzeuge für den Abwurf von Atomwaffen mehr bereitstellen. Die LINKE wendet sich auch kategorisch gegen alle Ambitionen, eine deutsche oder europäische Atomwaffenfähigkeit zu erlangen. Stattdessen treten wir dafür ein, dass die Bundesrepublik die Initiative verschiedener nicht-paktgebundener Staaten unterstützt, Atomwaffen aus humanitären Erwägungen weltweit zu ächten. Es ist unsere souveräne Entscheidung, ob wir Atomwaffen auf unserem Staatsgebiet lagern lassen - oder nicht. Die entsprechenden Vereinbarungen müssen gekündigt werden, die Bundeswehr muss atomwaffenfrei bleiben und sich aus entsprechenden Kommandostrukturen zurückziehen.
Frage 2: Wie soll Deutschland mit der 2%-Forderung zum Wehretat umgehen?
Wir lehnen eine weitere Erhöhung strikt ab. Waffen schaffen keinen Frieden und mehr Militär und bessere Waffentechnik erhöhen nicht die Sicherheit, sondern befördern die Spirale der Aufrüstung. Darum: Nein zu Aufrüstung! DIE LINKE kämpft für eine friedliche Außenpolitik, Abrüstung und Entspannungspolitik! Die 2% sind meiner Ansicht nach stattdessen ein gutes Ziel für die Entwicklungshilfeausgaben, selbst die angestrebten 0,7% haben wir nie erreicht. Mit Entwicklungshilfe erreichen wir mehr für eine friedliche Welt als mit erhöhten Militärausgaben.
Frage 3: Wie soll Deutschland seine Außenpolitik gegenüber Russland gestalten?
Zunächst einmal muss Deutschland auf der Einhaltung aller Verträge pochen; dazu gehört auch Northstream 2. Alle Verträge, die Rüstungskontrolle erlauben und Vertrauen aufbauen, sind auszubauen. Denkbar ist eine Vereinbarung über gegenseitige Visafreiheit. Es sollen Vereinbarungen über Studienförderung und Studierendenaustausch getroffen werden. Ein gesamteuropäischer Jugendaustausch könnte eine neue Etappe gesamteuropäischer Politik für junge Menschen erfahrbar machen. Dazu muss aber zuallererst die Einsicht in die Politik einfließen, dass Russland sich tatsächlich bedroht fühlt, auch vor dem Hintergrund der historischen Tatsache, dass Deutschland der Sowjetunion maßloses Leid zugefügt hat. Gleichzeitig baut die NATO eine Bedrohungskulisse auf. Es braucht eine Politik, die Vertrauen neu entwickelt. Die LINKE will daher die NATO auflösen und durch ein gesamteuropäisches kollektives Sicherheitssystem unter Beteiligung Russlands ersetzen, um auf diese Weise die Grundlagen für gemeinsame Sicherheit und somit für einen nachhaltigen Frieden in Europa zu schaffen. Das sagt noch nichts darüber aus, wie wir zur russischen Politik stehen. Die Politik des russischen Präsidenten Putin sehen wir kritisch, insbesondere mit Blick auf die inneren Verhältnisse, aber auch im Hinblick auf die Rolle Russlands in internationalen Konflikten (Syrien, Ukraine). Einseitigen Parteinahmen und Verurteilungen sowie einer Dämonisierung Russland schließen wir uns aber nicht an.
Thomas Klein (Grüne)
Frage 1: Wie soll Deutschland zum Abbau der Atomwaffenarsenale beitragen?
Unser entschiedenes Ziel als GRÜNE ist eine atomwaffenfreie Welt. Für dieses Ziel der “Global Zero“ ist eine schrittweise Abrüstung der neun globalen Atommächte, den USA, Russland, Großbritannien, Frankreich, China, Indien, Pakistan, Israel und Nordkorea, besonders jedoch der ersteren beiden, und ein Abzug der 20 amerikanischen in Deutschland stationierten Atombomben von Nöten.
Deutschland muss in dem Abrüstungsprozess der Atommächte dennoch eine begleitende Rolle einnehmen, indem wir den Atomwaffenverbotsvertrag der Vereinten Nationen ratifizieren und unterstützend auf eine neue Vertragsinitiative zwischen Russland und den USA zum Abbau von nuklearen Mittelstreckensystemen einwirken. Es muss außerdem die NATO dazu bewegt werden, auf einen „Erstschlag“, in einem Konflikt als erste Konfliktpartei mit nuklearen Waffen anzugreifen, zu verzichten.
Frage 2: Wie soll Deutschland mit der 2%-Forderung zum Wehretat umgehen?
Die Forderung der NATO, dass 2% des BIPs aller Mitgliedstaaten für die Verteidigung ausgegeben werden sollen, ist veraltet, willkürlich und nicht zielführend. Nicht zuletzt, da die Verteidigungsausgaben in den verschiedenen NATO-Mitgliedstaaten aufgrund fehlender fester Vorgaben unterschiedlich gemessen werden und sie somit nicht beantworten, wie sinnvoll die Ausgaben tatsächlich sind, woran sich militärische Leistung, Kampfkraft und Abschreckungsfähigkeit überhaupt messen lassen oder welche Arten von verteidigungsbezogenen Ressourcen, wie Beschaffung, Entwicklung und Personal, mit den Ausgaben unterstützt werden.
Kritisch anzumerken ist außerdem, dass die angestrebten Verteidigungsausgaben nicht direkt an eine schwankende Wirtschaftsdynamik eines Landes gebunden sein sollten. Für eine stabile Sicherheitspolitik braucht es eine Orientierung der Ausgaben an beständigen, relativ voraussehbaren Faktoren.
Stattdessen schlagen wir für eine faire finanzielle Lastenverteilung ein neues klar definiertes Wehretat-Ziel vor, das bestmöglich an die Aufgaben des Bündnisses angepasst ist, und durch Gespräche mit allen NATO-Mitgliedstaaten formuliert wird.
Frage 3: Wie soll Deutschland seine Außenpolitik gegenüber Russland gestalten?
In einigen internationalen politischen Belangen, wie der sozial-ökologischen Transformation, ist globale Kooperation gefordert, auch mit autoritären Staaten wie Russland.
Dennoch setzen wir gerade in der Lösung des Ost-Ukraine-Konfliktes auf einen harten Kurs gegenüber Russland. In dem Aspekt fordern wir die, wenn auch verspätete, Umsetzung der Minsker Abkommen, die auf die Deeskalation im besagten Konflikt hinwirken sollen. Die von der EU verhängten Sanktionen gegen das Land als Reaktion auf die Nichteinhaltung der Abkommen sowie Verschärfungen im Bedarfsfall unterstützen wir. Lockerungen der Sanktionen darf es erst geben, sobald Russland die Vereinbarungen der Minsker Abkommen einhält.
Darüber hinaus lehnen wir das Pipeline-Projekt Nord Stream 2 ab. Wir befürworten einen Baustopp besonders als Antwort auf den Giftanschlag des Kreml-Kritikers Nawalny, allerdings ist das Projekt ebenso klimapolitisch ein Desaster. Eine vollständige Umsetzung würde einen scharfen Bruch mit den Pariser Klimazielen und eine Abhängigkeit unserer nationalen fossilen Energieinfrastruktur vom russischen Staatskonzern Gazprom bedeuten.
Nichtsdestotrotz wollen wir den Dialog mit der russischen Demokratiebewegung, die sich im Land für Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit einsetzt, suchen und sie unterstützen.